Der Golfspieler

Auf der Mitglieder-Versammlung des Golfclubs meldet sich ziemlich zum Schluss das Mitglied Dr. Heumann: „Ich bitte noch um Beschlussfassung zum Ausschluss des Mitglieds Jürgen Kruse“. – „Ja, bitte: Würden Sie noch einmal die Gründe nennen.“ – „Herr Jürgen Kruse wurde am 2.7. ertappt wie er die Vereinssekretärin Frau Heidi Behrmann im Bunker beim 15. Loch gevögelt hat.“
„Ja, gut aber: das ist doch kein Grund für seinen Ausschluss.“ – „Das  selbstverständlich nicht. Aber er hat danach vergessen, den Sand zu harken.“

Einer von vielen Golfwitzen. Aber einer, der die Wirklichkeit zeigt.
Golf ist nicht zum Lachen. Golf muss verdammt nochmal ernst genommen werden.
Ich spiele auch ein bisschen Golf. Und seit ich weiß, dass ganz große Schriftsteller wie zum Beispiel Samuel Beckett auch Golfspieler waren, fühle ich mich auch nicht mehr schuldig. Ein Satiriker, der Golf spielt – das geht doch eigentlich gar nicht, so die landläufige Meinung. Golf gilt ja immer noch als der Sport der Reichen und Superreichen. Und Satiriker sollten ja eher die arbeitende Bevölkerung vertreten.

Einmal begegnete ich in einem Hamburger Golf-Club dem ehemaligen Ersten Hamburger Bürgermeister Henning Voscherau. Kaum sieht er mich, fängt er auch schon an: „Hallo, Hans Scheibner! Du als rote Socke spielst Golf?“ Ausnahmsweise war ich mal schlagfertig und antwortete: „Na, klar, wir können doch diesen herrlichen Sport nicht einfach dem Klassenfeind überlassen!“ Außerdem hatte ich einen guten Grund, diese Sportart auszuüben. Ich hatte nun mal mein ganzes Leben lang einen großen Bewegungsdrang in mir. Die Hälfte meines Künstlerlebens hab ich in Hotelzimmern und in fremden Städten verbracht. Es gibt nichts Öderes, als immer wieder durch dieselben Einkaufzentren in mittelgroßen deutschen Städten zu spazieren. Tchibo, Rossmann, Edeka, Kosmetik, C&A – man weiß gar nichtmehr, in welcher Stadt man sich eigentlich befindet. Überall in Deutschland gibt es aber Golfplätze zwischen den Städten. Da kann man als Mitglied eines Clubs gegen Greenfee den ganzen Tag Golf spielen. Und für mich als Kabarettist, der erst abends irgendwo auf der Bühne stehen musste, war das ideal. Zum Golf spielen braucht man keinen Partner. Golf kann man auch allein spielen – gegen den Platz wie es so schön heißt.

Jahrelang habe ich in jeder Stadt meine Programme gespielt – jedes Jahr ein neues: Klopfzeichen aus der Anstalt; Currywurst und Ewigkeit; Ehrenwort – keine Politik!; Der Urschrei; Das Glücksgefühl vorm Aufprall usw. usw. Wenn ich nicht gerade im Hörfunk oder im Fernsehen zu tun hatte, war ich unterwegs. Von Flensburg bis Konstanz, von Unterhaching bis Lutterbek habe ich wohl so ziemlich alle Kabarettbühnen und Kulturforen bespielt, die es hierzulande gibt. Infolgedessen kenne ich auch sehr viele Golfplätze, die meine Kollegen aus dem Golfclub noch nie gesehen haben. Aber leider muss ich zugeben: viel hat es mir nicht genützt. Ich bin ein ziemlich mittelmäßiger Spieler geblieben.

Für mich gilt immer noch der Trostspruch: „Na, wenigstens war man an der frischen Luft.“ Umgekehrt galt auch der Spruch: „Gehn wir mal Golf spielen und versauen uns den Tag!“ Denn kaum sonst irgendwo kann man sich so ärgern und sich selbst verfluchen, wie auf dem Golfplatz. Und gerade deshalb, weil man es einfach nicht glauben will, welche Fehler man immer wieder macht, versucht man es immer und immer wieder. Ja, ich gebe es zu: Golf war lange Zeit so etwas wie eine unglückliche Liebe für mich. Ich war dem Spiel verfallen, ich wollte es hundertmal „nie wieder tun“ und ich fing doch immer wieder an. Darum hatte ich eines Tages den Gedanken: Ich schreibe die Glücks- und Verzweiflungszustände, die ich auf dem Golfplatz erlebe, auf und mache ein Solo-Bühnenstück daraus.

So hatte meine unglückliche Liebe doch wenigstens noch einen höheren Sinn.
Nun aber gedacht: leicht gedacht und nicht so einfach getan. Ich konnte nicht damit rechnen, das Golfstück gleich auf ganz großen Bühnen aufzuführen. Andererseits: ein Golfstück muss auf dem Golfplatz spielen.

Ich müsste die Niederlagen und die Hochgefühle beim Spiel bringen – sozusagen authentisch. Aber wie soll das gehen – auf einer Spielfläche von manchmal nur sechs Meter Breite und dreieinhalb Meter Tiefe?

Heike Bolek, die Bühnenbildnerin, die schon die Kneipenszene von scheibnerweise gestaltete hatte, meinte sofort: Kein Problem. Die Weite ist der Hintergrund – ein Himmel mit weißen Wolken. Ein grüner Filzteppich wird der Abschlag. Auf der kleinen Fläche stehen mehrere Büsche, das ist die Landschaft. Und das Fairway? Ganz einfach: das Fairway sind sie Zuschauer. Du schlägst den Ball immer in den Zuschauerraum. Natürlich nicht wirklich – die spielst ohne Ball.

Pressestimmen zum „Golfspieler“:

Die Allmachtsfantasien der „Generation Golfer“ – Weser Kurier